Sterne vom Himmel

05.02.2023

Die Sterne vom Himmel holen, den Mond berühren und die Rentiere vom Weihnachtsmann im Zoo besuchen, Kinder können das.  Sie sind zumindest davon überzeugt. Junge Erdenbürger sind, wie Erwachsene auch, auf der Suche nach Antworten auf ihre Fragen. Mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln finden sie sie und das macht ihre Welt mitunter zu einem abenteuerlichen Platz.

Als der Mensch sich viele Naturphänomene noch nicht wissenschaftlich erklären konnte, neigte er dazu seine Wissenslücken auf kreative Art zu füllen. Worauf der Mensch sich keinen Reim machen konnte, wurde mit Göttern, Fabelwesen oder Fantasie mit Sinn erklärt. Nicht zu wissen, wie etwas funktioniert, dem man aber ausgeliefert ist, bereitet Unbehagen, manchmal sogar Angst. Gab es schlüssige Erklärungen für Vulkanausbrüche, Dürren oder Stürme, konnte man versuchen die Götter zu besänftigen und hatte zumindest wieder das Gefühl, Einfluss zu haben. Dieses Gefühl gab Sicherheit und Hoffnung und wirkte dem Gefühl des Ausgeliefertseins entgegen. Im Mittelalter gab man allen möglichen Menschen, Sünden oder Vergehen in der Vergangenheit die Schuld an der Pest, nur nicht den Flöhen, die die wahren Überträger waren. 

Es ist noch nicht so lange her, da glaubten die Menschen an einen Zusammenhang zwischen Storchsichtungen und Geburten. Damit hatten sie auch gar nicht Unrecht. Im Frühling häufen sich die Geburten von Mensch und Tier, ebenso kehren die Störche aus ihren Winterquartieren zurück. Es besteht ein statistischer Zusammenhang, nur eben kein Ursache-Wirkungszusammenhang. Störche bringen keine Kinder.

Kinder sind sich dabei nicht so sicher. Das mag zum einen daran liegen, dass ihnen konsequent Geschichten von Christkind, Weihnachtsmann und Osterhasen aufgetischt werden. Zum anderen haben Kinder eine angeborene Begabung, sich die Welt schönzureden, frei nach dem Motto von Pippi Langstrumpf: "Ich mach´ mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt!" Kinder sind dahingehend Lebenskünstler, gerade, weil sie so viele Ereignisse und Phänomene in ihrer Welt nicht verstehen. Manche Kinder fragen was, wo, wie und warum geschieht, andere sind stiller und finden ihre eigenen Erklärungen. Da fegt der Sturm übers Land, weil sich die Windräder heute so schnell drehen, die grauen Abgaswolken aus den Auspuffen machen Fahrzeuge besonders schnell und Schmetterlinge können den Sommer herbeizaubern.

Die Welt von Kindern ist eine andere, eine buntere, fantasievollere und glücklichere. Kinder sehen, was sie sehen wollen, sie fokussieren sich auf das Schöne. Gleichzeitig blenden sie aus, was ihr Leben trüben würde. Das ist eine kostbare Begabung. Die Welt selbst bleibt davon unangetastet, aber die Lebensqualität verändert sich mit dem richtigen Fokus zum Positiven.

Wir alle leben bis heute so und nicht anders, denn keinem Erwachsenen ist es möglich, alle Dinge zwischen Himmel und Erde zu erklären. Wir reimen uns zusammen, weshalb jemand etwas getan hat, wir konsumieren Fake-News und interpretieren sie, um ihnen in unserem Kopf Raum zu geben. Wir haben eine Meinung darüber, weshalb Menschen krank werden und fast jeder hat eine Vorstellung über das Leben nach dem Tod, denn damit lässt es sich leichter leben. Spirituelle und religiöse Menschen sind klar im Vorteil, denn sie leben in einem persönlichen Umfeld, in dem auch über Dinge gesprochen wird, die nicht greifbar und bewiesen sind. Die meisten Erwachsenen verlieren aber mit der Zeit ihre Verbindung zu ihrer heilen, inneren Welt. Das kann sehr schmerzhaft sein.

Es gibt so viel, das nicht wissenschaftlich erklärbar ist. Es handelt sich dabei unter anderem um die schönsten Dinge, die das menschliche Leben zu bieten hat, etwa die Liebe zweier Menschen oder das Wunder, ein Kind zu bekommen. Auch der klügste Wissenschaftler hat dafür keine ausreichende Erklärung und fände er eine, würde damit der Sache selbst jeder Zauber verloren gehen. Das Leben ist da, um gelebt zu werden, und nicht, um es zu verstehen. Nehmen wir uns zwischendurch ein Beispiel an den Kindern, die im Glauben leben, sie könnten die Sterne vom Himmel pflücken wie reife Äpfel. Vor allem aber, vertreiben wir die Kinder nicht vorzeitig aus ihrem Paradies, solange sie noch nicht die nötige Sicherheit gesammelt haben, von selbst und aus freien Stücken herauszutreten. Und lassen wir die Türe weit offen stehen, damit wir alle den Weg zurück finden, um uns auszurasten, aufzutanken und einfach mal wieder die Füße hochzulegen in unserem inneren Paradies.