Erschöpft

22.02.2023

Die Pandemieregeln sind gefallen, die Pandemie ist vorüber, alles wieder gut! Oder doch nicht?

Covid-19 kam überraschend, es war ohne Zweifel überwältigend und viele Menschen hatten das Gefühl die Kontrolle verloren zu haben, viele haben das Gefühl noch. So definiert sich Trauma. Wir alle leiden unter einem kollektiven Trauma und leider fehlt die Anerkennung dessen. Ja, wir haben keinen Krieg mitgemacht, es gab genug zu essen und niemand hat sein Zuhause verloren. Bei näherer Betrachtung war die Pandemie aber eine Katastrophe, die Krieg oder einer Naturkatastrophe viel zu ähnlich war. Es gab eine Unzahl Toter, viele Menschen sind gestorben. Sie waren alle Großväter, Großmütter, Schwestern, Tanten, Brüder und auch Söhne und Töchter. Sehr viele Menschen haben durch Covid-19 einen geliebten Menschen verloren, der eine Lücke hinterlassen hat, die sich nicht wieder schließen lässt. Fast alle Menschen waren von ihren Arbeitsplätzen abgeschnitten, ihren Kollegen, aber auch ihren Verdienstmöglichkeiten. Für viele Menschen war die Pandemie ihr finanzieller Ruin, sie haben alles verloren. Auch diese Menschen waren Väter, Mütter, Kinder von jemandem und selten stürzte ein Ruin nur eine Person in den Abgrund. Zu Beginn war es auch durchaus nicht klar, ob die Versorgung mit dem Nötigsten gewährleistet sein wird, die Menschen hatten Existenzängste. Über viele Monate der Lockdowns saßen Erwachsene und Kinder in großer Zahl in winzigen Wohnungen gemeinsam fest, wo Konflikte entstanden kochten sie schnell hoch. Auf der anderen Seite saßen Singles und verwitwete Menschen plötzlich in Isolationshaft und konnten nur noch über Telefon oder Bildtelefonie miteinander kommunizieren. Echte zwischenmenschliche Kontakte sind für das soziale Wesen Mensch aber überlebenswichtig. Und die Jugend konnte nicht weg von den Eltern und nicht hin zu den Freunden, wie es die Entwicklung aber nun einmal am Plan hat für das Alter. All das, obwohl sie selbst kaum gefährdet waren. Fast allen Menschen ging die Tagesstruktur verloren, die Sicherheit und das Vertrauen in die Zukunft. Angst trat auf den Plan, es folgten Schlafstörungen und Depressionen. Heute sagt man, es wäre vorüber, aber es ist als würde man einem Komapatienten, der gerade aufgewacht ist, gratulieren und ihm sagen, es wäre vorüber. Ja, wir sind wieder wach und dürfen uns bewegen, dürfen einander umarmen, dürfen arbeiten, dürfen reisen, aber viele können (noch) nicht. Eine große Zahl an Menschen ist noch immer gezeichnet von der Pandemie, Long-Covid treibt sein Unwesen und junge Menschen an den Abgrund. Die Fälle von Demenz haben stark zugenommen und noch weiß niemand, ob es sich um eine Folge der Erkrankung oder der außergewöhnlichen Lebensumstände handelt. Viele Krankheiten wurden nicht oder zu spät erkannt, weil Ärzte schwer zu erreichen waren. Alkoholmissbrauch und Depressionen sind ein großes Thema und plötzlich sehen wir Kinder mit Symptomen eines Burn-outs. Nein, wir sind noch nicht wieder gesund, wir sind gerade erst aufgewacht aus diesem Alptraum. Und genau da folgt der nächste Schlag: Krieg in Europa, Flüchtlinge, Energieknappheit, Sorgen über Sorgen und Elend so weit das Auge reicht. Es trifft eine Generation von Verwöhnten. Wir mussten nie um unser leben bangen, flüchten, alles hinter uns lassen, hungern, wie viele unserer Vorfahren. Auch das führt dazu, dass die Strategien fehlen, wie mit einer solchen Krise im Alltag umzugehen ist. Die Alten kamen aus dem Krieg und bauten sich ihr Leben auf, es war geprägt von Hoffnung und es wurde besser und besser, bis es gut war. Junge Leute heute hatten alles und noch viel mehr und dann machte ihnen die Pandemie einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Plötzlich war in ihrer sicheren Welt nichts mehr sicher, nicht ihre Ausbildung, nicht ihre Gesundheit, nicht ihre Freundschaften, nicht ihre Versorgung und schon gar nicht ihre Zukunft. In die Hoffnungslosigkeit hineinzusteuern ist wie in einen Tunnel zu fahren, ganz schön dunkel. Aus ihr heraus ist es einfacher, denn man fährt dem Licht entgegen. Wer das Gefühl hat im Tunnel festzusitzen, kann sich Hilfe holen. Wo es hell aber nicht mehr so hell geworden ist, wie es einmal war, darf Unterstützung bekommen. Es gibt Auswege aus der Krise. Wie der ehemalige Komapatient eine Kur und kompetente Helfer benötigt, um wieder zu Kräften zu kommen, so braucht es der traumatisierte Pandemiegeplagte auch und das sind wir alle, einer mehr und einer weniger, aber wir waren alle dabei. Wir waren gemeinsam schockiert, was passiert ist, wir alle haben verloren, viel und viele verloren. Das ist nicht leicht, aber man darf es sich leichter machen. Der Patient bekommt Therapien und einen Physiotherapeuten an die Seite gestellt, er fährt auf Kur und tastet sich so an seinen gesunden Zustand heran. Auch auf psychischer Ebene ist das möglich und nötig. Das Jammertal ist kein guter Ort, um zu verweilen. Gerne stelle ich mit Ihnen ein individuelles Kurprogramm für Ihre Psyche zusammen. Es waren harte Jahre, aber nun wird es Zeit für den Blick nach vorne. Unsere Vergangenheit braucht uns nicht, unsere Zukunft schon.