Bewegung
Kinder sind Bewegungstalente. Schon lange vor der Geburt trainieren sie ihre Muskeln, nach der Geburt setzt sich dieses Programm fort, mit einer kurzen Pause, in der die Kinder sichtlich eingeschränkt sind durch den plötzlichen Eintritt der Schwerkraft.
Kinder bewegen sich nicht, um gesund zu bleiben, Muskeln aufzubauen oder Gleichgewicht zu üben. Sie machen es aus Spaß und nur aus diesem Grund. Ihr Entwicklungsplan beinhaltet alle möglichen Formen von Bewegung aber nicht das Stillsitzen.
In Kinderbetreuungseinrichtungen werden junge Kinder daran gewöhnt zu sitzen, sich ruhig zu beschäftigen und das auf Kommando. Als müsste man, still zu sitzen lernen, als müsste man es möglichst früh etablieren.
In Wirklichkeit benötigt alle kindliche Entwicklung als Basis Bewegung. Wer sich im Raum nicht frei und intensiv über Jahre bewegt hat, tut sich später in Mathematik schwer, kann Symmetrieachsen nicht einzeichnen oder gegenüberliegende Winkel im Würfel nicht finden. Beim Schreiben sehen die Buchstaben oft in die falsche Richtung. Raum-Lage-Orientierung lernt man nur durch Orientierung im Raum, indem Auge und Hirn lernen zusammenzuarbeiten, wenn sich das Kind nach links dreht oder am Kopf steht.
Kinder stellen ihre massive Bewegungsfreude von allein ein, wenn die damit verbundenen Entwicklungsaufgaben schließlich erledigt sind.
Die meisten Kinder kommen heute aber nicht mehr so weit, weil sie viel zu früh ausgebremst werden durch ihre Betreuer.
Laufen, klettern und abseilen sind schließlich weder indoor- noch gruppentauglich. Die eine Stunde im Garten reicht nicht aus, außerdem bewegen sich die Kinder auch dann nicht frei. Es gilt Rücksicht zu nehmen auf viele andere, die räumlich sehr nah sind und die Aufsichtspersonen können und wollen nicht bei jedem Bewegungsexperiment helfend zur Seite stehen, damit sind viele Abenteuer aus Gründen der Sicherheit verboten.
Das Zeitfenster für diese wichtigen Entwicklungsschritte ist nicht ewig offen. Besucht ein Kind drei Stunden am Tag den Kindergarten, kommt es dahingehend zwar zu Einschränkungen, doch kann dem Bewegungsdrang in den vielen weiteren Stunden des Tages nachgegeben werden. Bei Kindern, die fast den ganzen Tag fremdbetreut sind, sieht das anders aus.
Sie fallen um viele Bewegungserfahrungen um, werden dadurch unsicher und bewegen sich später nicht so gerne, weil sie ihre Defizite spüren. Sie reißen Lücken auf in ihrer Entwicklung, die sich später nur schwer oder nicht mehr schließen lassen.
Bewegung ist für ein Kind ein Grundbedürfnis. Kann es ihm nicht folgen, entsteht Spannung, ähnlich wie in uns Erwachsenen, wenn wir sehr, sehr durstig sind. Diese Anspannung kann ein Kind nicht zuordnen, dafür fehlt die Erfahrung, aber es spürt sie und es leidet. Werden Grundbedürfnisse nicht erfüllt, werden wir alle zu unleidlichen Zeitgenossen, die nicht mehr viel auf die Reihe kriegen.
Es ist deshalb grundlegend wichtig, das Bewegungsbedürfnis seines Kindes zu kennen und richtig einzuschätzen, um eine Betreuung zu finden, die dem Kind gerecht wird.
Aktive Tagesmütter, Waldkindergärten, Elterninitiativen oder der kindergartenfreie Weg sind in den frühen Jahren gute Möglichkeiten, sein Kind nicht unnötig einzuschränken, solange es gerade erst dabei ist, seine Flügel zu entfalten.